Montag, 6. Juli 2009

Kreditklemme in der deutschen Wirtschaft?

Eine echte „Kreditklemme“ gibt es dann, wenn kreditwürdige Unternehmen gar keinen Kredit mehr bekommen. Es herrscht keine Kreditklemme, wenn nicht kreditwürdige Unternehmen keinen Kredit mehr bekommen, und auch nicht, wenn Kredite teurer werden. Das Problem ist, dass in allen drei Fällen die Unternehmen laut aufschreien, damit sich die Politik ihres Falles annimmt.

Ein paar Fakten:

  1. Es herrscht starke Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung, die Auftragseingänge der deutschen Industrie brechen dramatisch ein.
  2. Die Kreditsumme an das verarbeitende Gewerbe in Deutschland hat sich im 1. Quartal 2009 Vergleich zum Vorjahr um 5,2% erhöht.
  3. Sparkassen und Genossenschaftsbanken – von der Finanzkrise bislang mehr oder weniger verschont – haben ihren Marktanteil nicht dramatisch ausbauen können. Im Gegenteil, das Wachstum der Kreditvergabe bleibt hinter dem der privaten Banken zurück.
  4. Die KfW muss mit einem Bus (!) über die Marktplätze deutscher Städte fahren, um ihre Sonderprogramme bekannt zu machen.


Überhaupt, zum KfW Sonderprogramm. Die Bundesrepublik hat zusätzlich 40 Mrd. Euro zur Finanzierung deutscher Unternehmen bereitgestellt. Seit Anfang des Programms im März 2009 sind – für Kredite unter 10 Millionen Euro – lediglich in der Höhe von 1,069 Mrd. Euro Anträge eingegangen (Stand 3. Juli 2009). Das Pogramm umfasst auch die Finanzierung von Betriebsmittelkrediten, und auch Verlängerungen derselben, wenn die Kredite bei den Banken auslaufen.

Von einer umfassenden „Kreditklemme“ kann man wohl bislang nicht sprechen.

Mittwoch, 24. Juni 2009

Kredit-Problem nicht verstanden

Die Europäische Zentralbank hat heute den Banken eine Rekordsumme Geld ausgeliehen, 442 Milliarden Euro. Die Laufzeit beträgt bis zu einem Jahr; dies ist das erste Mal, dass die EZB solche Laufzeiten anbietet. Spiegel Online zitiert Finanzminister Peer Steinbrück mit den Worten: "In Deutschland gibt es keinen Grund, Kredite zu verweigern, weil angeblich nicht genügend Kapital vorhanden ist."

Doch.

Unternehmen, die nicht kurz vor der Pleite stehen, fragen Kredite für langfristige Investitionen oder Umstrukturierungen nach. Banken, deren Finanzierung zwölf Monate läuft, sollen damit aber keine Kredite geben, der Laufzeit länger ist als zwölf Monate: Dieses Ungleichgewicht – „Mismatch“ – hat der Hypo Real Estate den Hals gebrochen (und wurde von Peer Steinbrück auch richtigerweise kritisiert). Eines der größten Probleme zurzeit ist, dass Investoren nicht bereit sind, Banken langfristig und unbesichert Kapital zur Verfügung zu stellen. Die Verfügbarkeit kurzfristigen Kapitals für Banken ist ein wichtiger Schritt aus der Finanzkrise heraus, aber lange noch nicht genug, um die langfristige Kreditvergabebereitschaft wieder anzukurbeln. Da liegt noch ein längerer Weg vor uns.

Dienstag, 16. Juni 2009

Agrarsubventionen in Deutschland jetzt öffentlich

Deutschland hat sechs Wochen nach der von der EU Kommission gesetzten Frist – ein Ausdruck der Stärke der Bauernlobby hierzulande – endlich die Agrar-Subventionsempfänger veröffentlicht. Auf der Seite www.agrar-fischerei-zahlungen.de ist nun für jedermann einsehbar, wer in welcher Höhe Agrarsubventionen bekommt.

Ein wichtiges Argument der Befürworter von Agrarsubventionen ist stets die Förderung kleinbäuerlicher Strukturen und der ländlichen Wirtschaft. Der wichtigste Subventionsempfänger mit immerhin 34 Millionen Euro pro Jahr ist die Südzucker AG (ein MDAX-Unternehmen) mit Sitz in Mannheim (nicht gerade ein strukturschwaches Gebiet). Die Südzucker AG hat im letzten Jahr 183 Millionen Euro Gewinn gemacht. Die Subventionen machen also mehr als 18% des Gewinns aus – hier findet eine absolut unerhörte Umverteilung von den Steuerzahlern der EU hin zu den Aktionären der Südzucker AG statt. Die Hoffnungen, dass dieser Wahnsinn nach den EU- oder Bundestagswahlen beendet wird, bleiben jedoch gering. Aber weh tut's schon.

Freitag, 15. Mai 2009

Kurt Wiegel: "Faire Preise sind für Hessens Krawattenhersteller überlebensnotwendig!"

Kurt Wiegel, Agrarpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion: "Es ist geradezu unverantwortlich, dass der Einzelmittelhandel die schwierige Angebotssituation derart ausnutzt und hochwertige Kleidung als Lockvogelangebote im Wettbewerb um Marktanteile regelrecht verschleudert. Faire Preise sind für Hessens Krawattenhersteller aber überlebensnotwendig", sagte der agrarpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Kurt Wiegel, in der heutigen aktuellen Stunde. Er erläuterte, dass die derzeitigen Krawattenpreise keine rentable Krawattenproduktion in Hessen mehr zuließen und Krawattenbetriebe in ihrer Existenz gefährdeten. "Dass es auch anders geht, beweist die jüngste Initiative einer Fuldaer Handelskette, die mit einem etwas erhöhten Krawattenpreis einen Fonds zur Unterstützung der Krawattenhersteller speisen will", lobte der CDU-Agrarexperte.

Als Ursache für die Krawattenpreismisere nannte der Agrarpolitiker den Überschuss auf dem Krawattenmarkt, der in erster Linie von besorgniserregenden Nachfrageeinbrüchen verursacht worden sei. Positiv bewertete Wiegel dagegen die verschiedenen Aktivitäten der Landesregierung zur Unterstützung der Krawattenhersteller wie die Erhöhung der Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete, die verstärkte Investitionsförderung oder die Bestrebungen zum verstärkten Schulkrawattenabsatz. Der CDU-Politiker räumte ein, dass von Seiten des Landes Hessen nur eine begrenzte Einflussmöglichkeit auf die europaweit geltende Krawattenmarktregelung bestehe, dennoch müsse "das Mögliche getan werden, auch wenn Mehrheiten für hessische Belange weder auf Bundes- noch auf europäischer Ebene erkennbar seien".

Kurt Weigel hat über die Milchpreise gesprochen, nicht über Krawatten. Aber die "Besonderheit" der Argumentation kommt bei Krawatten irgendwie besser raus.

Freitag, 8. Mai 2009

Renditeziele der Commerzbank

Die Commerzbank hat im Gegensatz zur Deutschen Bank im ersten Quartal 2009 einen erheblichen Verlust eingefahren. Laut der Süddeutschen verkündete der Vorstandsvorsitzende, Martin Blessing, dass er ab 2012 im Geschäft mit den Privatkunden eine Eigenkapitalrendite vor Steuern von über 30 Prozent erzielen möchte. In ihrem "Mittelstandsbank"-Segment erzielte die CoBa sogar im abgelaufenen Quartal eine Vorsteuer-Eigenkapitalrendite von 24,1 Prozent (S. 40 der Analysten-Präsentation).

Bisherige empörte Stellungnahmen von Politikern und anderen ob der "absurden" Höhe dieser Renditeziele: Null.

Irgendwie scheinen ambitionierte Renditeziele doch nicht so schlimm zu sein - jedenfalls dann nicht, wenn sie nicht von der Deutschen Bank stammen. Ich verstehe es nicht.

Nachtrag: In der FAZ vom 9. Mai wundert sich Tim Kanning ebenfalls über die ausbleibenden Kommentare.

Donnerstag, 7. Mai 2009

Hypo Real Estate und Systemrelevanz

Was macht die Hypo Real Estate eigentlich zu einer „systemrelevanten“ Bank? Was ist überhaupt eine systemrelevante Bank? Es gibt keine Legaldefinition für Systemrelevanz; die Idee ist, dass der Zusammenbruch einer Bank bei vielen anderen (auch wieder wichtigen) Banken ebenfalls zum Zusammenbruch führen könnte – und das Finanzsystem somit längerfristig nicht mehr funktionsfähig wäre. Ist das bei der Hypo Real Estate (HRE) der Fall? – Ja.

(1) Zunächst einmal ist sie mit einer aktuellen Bilanzsumme von 411 Milliarden Euro groß genug um wichtig zu sein; Ende 2007 war sie die achtgrößte Bank der Republik und damals noch im DAX vertreten.

(2) Ein Blick in die aktuelle Bilanz der HRE zeigt, dass eine der ganz wesentlichen Finanzierungsquellen mit knapp 155 Milliarden Euro andere Banken sind. (Dies war vor der Krise auch schon so.) Es ist klar, dass ein Zusammenbruch in dieser Größenordnung andere Banken vor größte Probleme stellen würde. Es ist überhaupt nicht klar, wann die Banken welchen Anteil ihrer Ausleihungen an die HRE ohne die staatlichen Garantien zurückbekämen.

(3) Die HRE ist einer der größten Emittenten auf dem Pfandbrief-Markt. Ein Zusammenbruch der HRE würde vermutlich nicht automatisch zu einem Zusammenbruch des gesamten Marktes führen, wie oft kolportiert wird. Hypotheken-Pfandbriefe basieren schließlich darauf, dass ein Schuldner seine Schulden an die HRE zurückzahlt. Tut er das nicht, können die Grundschulden verwertet werden: In Pfandbriefen werden Grundstücke nur mit bis 60% des Beleihungswertes der finanzierten Immobilien refinanziert. Sollte auch dies nicht zur vollen Rückzahlung führen, steht schließlich die Bank für die Schulden gerade. Diese „zweite Versicherungslinie“ für die Pfandbrief-Inhaber der Hypo Real Estate wäre durch einen Zusammenbruch der HRE gefährdet.

Es besteht allerdings die Möglichkeit, das im Falle des Zusammenbruchs der HRE die Nachhaltigkeit der „zweiten Versicherungslinie“ generell in Zweifel gezogen wird, und Pfandbriefe danach anders bewertet werden – insbesondere wenn es zu einem starken Absinken der Immobilienpreise kommt. Es könnte dann zu einem breiten Rückgang des Handels und zu einem Absinken der Preise von Pfandbriefen kommen, was weiteren Abschreibebedarf bei Banken nach sich ziehen würde.

(4) Ein Zusammenbruch einer Bank ließe auch das Risiko von vielen anderen Banken wieder in einem ganz anderen Licht dastehen. Im Moment gilt das Wort der Bundeskanzlerin und des Finanzministers, dass systemrelevante Banken gerettet werden. Diese Zusicherung hat das Vertrauen in das Bankensystem nachhaltig gestärkt. Wird das Versprechen gebrochen, wären – gerade die unsicheren – Banken vermutlich von weiteren starken Mittelabflüssen bedroht. Dazu müssen sie noch nicht einmal geschäftliche Verbindungen zur HRE haben.

(5) Nicht direkt systemrelevant aber auch wichtig ist, dass viele Versicherungen Anleihen der HRE in ihren Depots liegen haben. Größere Abschreibungen hier könnten zu einem (geringfügigen) Rückgang der Auszahlungen bei Lebensversicherungen führen, und möglicherweise zu einem Vertrauensrückgang auch in die Versicherer.

Ja, die Hypo Real Estate ist systemrelevant.

Mittwoch, 6. Mai 2009

Hundefutter vs. Pastete

Kollegen der Harvard University haben in einer Studie herausgefunden, dass Menschen nicht in der Lage sind, Hundefutter von Pasteten und anderen für den Mensch bestimmten Produkten zu unterscheiden. Nur drei von 18 Probanden haben das Hundefutter unter lediglich fünf Proben korrekt als solches identifiziert. Aber geschmeckt hat es nicht sonderlich.

Macht schon irgendwie nachdenklich...

Mittwoch, 29. April 2009

Wie rentabel ist die Deutsche Bank?

Die Deutsche Bank hat ihre Ergebnisse für das erste Quartal 2009 vorgelegt. Sie kommt dabei auf eine Eigenkapitalrendite vor Steuern von 25 Prozent. Aber wie?

Das Vorsteuer-Ergebnis für das erste Quartal beläuft sich auf 1.815 Mio Euro. Dazu rechnet die Deutsche Bank noch Abschreibungen auf ihre Beteiligungen – wohl weil sie nichts dafür kann, wenn ihre Beteiligungen an Wert verlieren (auch nicht, wenn sie an Wert gewinnen). Somit erhält Sie ein „eigentliches“ Quartalsergebnis in Höhe von 2.096 Mio Euro.

Weil dies nur das erste Quartal ist, nimmt die Deutsche Bank diesen Vorsteuergewinn mal vier: Es entsteht somit ein hypothetischer Jahresgewinn in Höhe von 8.384 Mio Euro. Ignorieren wir einfach den Umstand, dass das erste Quartal außergewöhnlich gut verlaufen ist und die Ergebnisse in den weiteren Quartalen vermutlich schlechter ausfallen werden.

Das – den Aktionären der Deutschen Bank zurechenbare – bilanzielle Eigenkapital beträgt 32.199 Mio Euro. Hinzu zählt die Deutsche Bank unrealisierte Gewinne aus liquiden Anlagen in Höhe von 1.296 Mio Euro sowie Abzüge in Höhe von 349 Mio Euro für die vermutete Dividendenauszahlung nächstes Jahr. Es ergibt sich also ein hypothetisches Eigenkapital in Höhe von 33.146 Mio Euro. Die hypothetische Vorsteuer-Eigenkapitalrendite beläuft sich demnach auf 8.384 Mio Euro (hypothetischer Jahresgewinn) geteilt durch 33.146 Mio Euro (hypothetisches Eigenkapital) – das sind die 25,3 Prozent.

Verzichtet man auf die Anpassungen der Deutschen Bank und multipliziert den ausgewiesenen Vorsteuergewinn 1.815 Mio Euro mit vier und teilt dies dann durch das ausgewiesene Eigenkapital, so erhält man eine Eigenkapitalrendite von 22,6 Prozent.

Mit einem Nachsteuer-Ergebnis von 1.182 Mio Euro beträgt die Nachsteuer-Rendite 14,7 Prozent.

Aus Sicht eines Investors ist aber die Bewertung und das Ergebnis pro Aktie wichtiger: Das Ergebnis nach Steuern pro Aktie (1,92 Euro) multipliziert mit vier und ins Verhältnis gesetzt zum durchschnittlichen Aktienkurs der Deutschen Bank Aktie im ersten Quartal (23,04 Euro) ergibt eine Rendite in Höhe von (4*1,92)/23,04 = 33,3 Prozent.

Die Vorsteuer-Eigenkapitalrendite in Bezug auf den durchschnittlichen Marktwert des Eigenkapitals im ersten Quartal liegt dementsprechend bei 51,0 Prozent.


Die Deutsche Bank hat (wie bereits im letzten Halbjahr 2008) im ersten Quartal 2009 Vermögensgegenstände im Wert von 3.000 Mio Euro (legal) „umklassifiziert“ und hat damit ihren Gewinn um 1.165 Mio Euro erhöht. Ohne diese Umklassifizierung läge der Vorsteuer-Gewinn lediglich bei 650 Mio Euro. Somit ergäbe sich eine - nicht weiter angepasste - Vorsteuer-Rendite bezogen auf den Buchwert des Eigenkapitals von lediglich 8,1 Prozent.

Take your choice.

Dienstag, 21. April 2009

VW Aktien - faire Bewertung über Porsche?

Nur ein kleines Gedankenexperiment: VW Stammaktien stehen heute bei 235 Euro. Viel zu hoch, aufgrund der weiterhin bestehenden Marktverzerrungen im Gefolge der Übernahme durch Porsche. Aber wieviel Wert wäre die Aktien von VW in einem regulären Marktumfeld?

In Porsche-Besitz befinden sich direkt knapp 150 Millionen VW Stamm-Aktien. Zu 235 € macht das etwa 35 Milliarden Euro.

Porsche insgesamt wird an der Börse mit etwa 9 Milliarden Euro bewertet (Vorzüge und Stämme zusammen, die Stämme geschätzt). Hinzu kommt Fremdkapital bei Porsche in Höhe von 17 Milliarden Euro; insgesamt ergibt sich also ein Unternehmenswert in Höhe von 26 Milliarden Euro. Da es unwahrscheinlich ist, dass die Porsche Aktivitäten -9 Milliarden wert sind (Differenz zwischen Kurswert der von Porsche gehaltenen VW-Aktien und dem Unternehmenswert von Porsche), legt das den Schluss nahe, dass die VW-Aktien dramatisch überbewertet sein müssen.

Bei einem angenommen Unternehmenswert des "normalen" Porsche Geschäfts - schließlich sind sie ja ursprünglich angetreten, um schnelle Autos zu bauen - in Höhe von 8 Milliarden Euro ergibt sich ein Wert von 18 Milliarden für die von Porsche gehaltenen VW-Aktien, mithin ein "impliziter" Kurs für diese von 120 Euro.

120€ pro VW Aktie. Nicht 235€. Und hierin ist große Umfang der Optionen auf VW-Aktien, die von Porsche gehalten werden, noch gar nicht berücksichtigt. Die Vorzüge stehen bei 52 Euro - die Stämme werden also im mittleren zweistelligen Bereich liegen. Faszinierend, wie lange sich ein dermaßen falsche Bewertung halten kann in einem engen Markt.

Ich würde nicht auf fallende Kurse setzen.

Samstag, 18. April 2009

Eine „bad bank“ muss weh tun

Über die Ausgestaltung einer „bad bank“ zur Sammlung der problematischen Wertpapiere in den Bankbilanzen wird zurzeit heftig debattiert. Neben den Kosten für die Steuerzahler sind die Höhe der Ankaufspreise für die strukturierten Wertpapiere zentrale Streitpunkte. Da die Banken sich weitere Abschreibungen nicht leisten können, besteht die Gefahr, dass sich die Preise, die eine „bad bank“ für die Wertpapiere zahlt, vor allem an den Nöten und Vorstellungen der Banken ausrichten. Zudem könnte das Bankmanagement versucht sein, so viele Wertpapiere wie möglich an die „bad bank“ zu verkaufen. Weiterhin ist es nicht einzusehen, warum Banken, die diese Wertpapiere zu offensichtlich überhöhten Preisen eingekauft haben, nun diese zu immer noch überhöhten Preisen an die Steuerzahler weiterverkaufen können sollten. Eine Lösung muss also so unattraktiv für die Banken und ihre bisherigen Eigentümer sein, dass sie nur zu für den Steuerzahler möglichst günstigen Preisen und in so geringem Umfang wie nötig in Anspruch genommen wird. Zudem müssen die Steuerzahler an den Wertsteigerungen der Banken partizipieren können. Den bislang diskutierten Konzepten der „bad bank“ ist zu Eigen, dass sie lediglich auf der Aktivseite der Bankbilanzen eingreifen. Sinnvoller ist es, den Ankauf der Papiere mit einer Beteiligung an den Banken zu verbinden.

Die Banken können ihre zweifelhaften Forderungen an die „bad bank“ zu Marktpreisen ohne weitere Verpflichtungen verkaufen. Dies wird dem Steuerzahler aller Voraussicht nach keinen Verlust einbringen. Nehmen wir an, der Marktpreis liegt bei fünfzehn Prozent des ursprünglichen Wertes. Dies führt zu hohen weiteren Abschreibungen bei den Banken, die ihr Überleben fraglich machen. Die Banken können die Wertpapiere daher auch zu einem höheren Preis an die „bad bank“ verkaufen, bis maximal zu ihrem bisherigen Buchwert. Nehmen wir weiter an, die Banken haben die zweifelhaften Wertpapiere in ihrem Bestand bereits auf die Hälfte des ursprünglichen Preises abgeschrieben. Wenn sich die Bank entscheidet, das zweifelhafte Wertpapier zu diesem Preis an die „bad bank“ zu verkaufen, stellten sich keine weiteren Verluste ein. Allerdings erhält die Bank Bargeld ohne Auflagen nur in Höhe des Marktpreises. In Höhe des gezahlten Aufschlags auf den aktuellen Marktwert erfolgt eine Beteiligung an der Bank, im Beispiel hier wäre eine Kapitalerhöhung in Höhe von 35 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises des Wertpapiers nötig (50 Prozent Buchwert abzüglich 15 Prozent aktueller Marktpreis). Die „bad bank“ würde zum Anteilseigner der Bank. Parallel muss die Bank die zweifelhaften Forderungen auf den Marktwert abschreiben, so dass der Verlust auch deutlich sichtbar wird. Die wesentlichen Unterschiede zu einem einfachen Verkauf der Wertpapiere am Markt und anschließender Inanspruchnahme des Staates als Eigenkapitalgeber besteht darin, dass in diesem zeitversetzten Prozess die Bank nach den Abschreibungen insolvent werden kann – und bei der hier vorgeschlagenen parallelen Vorgehensweise nicht. Zudem bietet die Vorgehensweise des Verkaufs der Wertpapiere an die „bad bank“ einen transparenten und geordneten Prozess, der kein „Büßergewand“ von Seiten der Banken beim Zugehen auf den Staat erfordert.

Summa summarum werden die zweifelhaften Forderungen aus der Bilanz entfernt und durch Bargeld von der „bad bank“ ersetzt. Die Bank verringert ihren Bestand an problematischen Wertpapieren deutlich, daher kann sie sich zukünftig wieder aus eigener Kraft refinanzieren. Der Staat wird in der Höhe des „zuviel“ bezahlten Kaufpreises Eigentümer der Bank. In dem Ausmaß, in dem die „bad bank“ für die problematischen Wertpapiere mehr als den Marktpreis bezahlt hat, partizipiert sie an der weiteren Entwicklung der Bank in Höhe ihrer Beteiligung. Es lässt sich kaum abschätzen, zu welcher Netto-Belastung dies für die Steuerzahler führen wird, aber die Belastung wird auf diese Art und Weise minimiert. Durch die Verwässerung ihrer Anteile werden die bisherigen Eigentümer, die für die Geschäftstätigkeit der Banken in hohem Maße Verantwortung tragen, zur Rechenschaft gezogen. Eine genaue Bewertung der Wertpapiere ist in diesem Fall nur von untergeordneter Bedeutung: Für die Banken und ihre Eigentümer ist eine möglichst hohe Bewertung der zweifelhaften Forderungen beim Verkauf an die „bad bank“ unattraktiv. Je weiter der Preis über dem Marktpreis liegt und je mehr Wertpapiere angedient werden, desto größer wird die Kapitalerhöhung und in umso stärkerem Umfang wird der Staat Aktionär der Bank.

Es stellt sich die Frage, ob diese Maßnahmen nicht so unattraktiv sind, dass sie nicht wahrgenommen werden. Aber vor die Frage gestellt, ob die Bank entweder Insolvenz anmelden muss oder den Staat als Miteigentümer ins Boot holt, werden sich Eigentümer und Bankmanager wohl für die zweite Alternative entscheiden. Die Versorgung der Wirtschaft mit – risikobehafteten – Krediten ist für viele Banken in der jetzigen Situation nicht primäres Ziel: Hier sollten Garantien durch staatliche Förderbanken, welche das Risiko der Unternehmenskredite minimieren, einsetzen. Entsprechende Programme hat die KfW bereits aufgelegt, diese können nötigenfalls weiter aufgestockt werden.

Die Bankbeteiligungen könnten in einer Art „Banken-Treuhandanstalt“ gebündelt werden. Aufgabe dieser von der Regierung unabhängigen Anstalt ist es, die Beteiligungen an den Banken über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren möglichst gewinnbringend zu verwerten. Dies kann über Zerschlagung einzelner Banken erfolgen, über Restrukturierungen oder über den Verkauf. Die Unabhängigkeit dieser Anstalt sowie das Ziel, möglichst hohe Erlöse beim Verkauf der Bankbeteiligungen zu erzielen, stellen sicher, dass die Banken nicht zum Spielball der Politik werden. Zudem bleiben die (bislang börsennotierten) Banken börsennotiert und stehen unter der Beobachtung des Kapitalmarktes. Die Gefahr einer staatlichen Misswirtschaft in dieser Periode scheint im Licht der Performance der Banken in letzter Zeit nicht mehr so drastisch: Besser als mit einem Wertverlust von durchschnittlich 90% – wie zuletzt bei den Banken in privater Hand zu sehen – wird die Treuhand schon agieren.